Teamperformance Elmau-Challenge

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Outdoortraining – Lernen in der 4. Dimension

Teamperformance Elmau-ChallengeVorbemerkung

Seit ich mit sehr versierten Kolleginnen und Kollegen Managementtrainings draußen durchführe, haben wir stetig unsere Konzeptionen und Designs aus den gemachten Erfahrungen überarbeitet und zu optimieren versucht. Unser Ziel: Erfahrungen der Teilnehmer/innen –- nicht nur im Training immer besser zu steuern, sondern auch aus dem Erleben am Outdoortag faktisch fassbaren Nutzen für die Effizienz im sog. Alltag, zurück im Unternehmen, zu schaffen. Transfer von Erfahrungen also,  die ein Topmanager in einem unserer letzten Trainings mit Überzeugung und Begeisterung als „tiefkortikal“ bezeichnet hat und die über den Tag hinaus reichen sollen, damit aus dem Erlebnis wirklich Ergebnis wird.

Nun ist über dieses Thema auch wissenschaftlich seit einiger Zeit immer wieder gearbeitet worden. Dabei stößt sich die Überzeugung der tatsächlichen und nachhaltigen Wirksamkeit bei den Outdoorspezialisten entsprechend professionell konzipierter Oudoortrainings hart im Raume mit der wissenschaftlichen Belegbarkeit. Auf der subjektiven Ebene wird immer wieder ein Zusammenhang zwischen entsprechend konzipierten Outdoorveranstaltungen und den Veränderungseffekten im Verhalten formuliert. Die Frage stellt sich, wie ein „harter“ wissenschaftlicher Nachweis für die Effekte des „Lernens draußen“ – ein reliables, objektives und valides Modell also – formuliert werden kann angesichts der Komplexität des Forschungsgegenstands. 

Die Frage stellt sich zumindest uns, wie hoch die Plausibilität der Wirksamkeit von Outdoortrainings bei den Beteiligten durch direkte, konkrete und bewusst gemachte Erfahrung – basierend natürlich auf akzeptierten und nützlichen systemischen psychologischen und pädagogischen Modellen von Team, Change, Agilität etc. – eingeschätzt wird.

 

1. Der konzeptionelle Rahmen unserer Outdoortrainings – der Überblick

     Der Tetraeder links symbolisiert die konzeptionelle Auffassung, die uns bei der Arbeit mit Gruppen draußen leitet.

Das Spannungsfeld der 3 Pole „Ich, Wir und das Thema“ (vgl. Ruth C. Cohn, 1983) wird ergänzt quasi überwölbt durch den „Kontext, die Dimension Natur“, in den die Arbeit eingebettet wird. Wir bezeichnen das mit : lernen in der 4. Dimension. Natur, ein Lernraum mit metaphorischen Qualitäten, die drinnen einfach nicht zu finden sind. Nicht zuletzt die Möglichkeit, sich diesem Raum gemeinsam zu erschließen, miteinander einen Weg zu gehen, mit Hindernissen, Überraschungen und vielfältigen Erfahrungen.

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Dieses Spannungsfeld wird – je nach Lernfokus – von uns so individuell wie möglich in einem Outdoor-Design gestaltet.

Damit aber aus dem „Erlebnis“ ein nachhaltiges „Ergebnis“ wird, wird im Outdoor und nach dem Outdoor intensiv evaluiert (Videoanalyse) und klare Transferschritte (individuelles Lernen, Teamlernen, organisatorische Veränderungen…) fixiert (Indoor). Natürlich ist auch ein abgestimmtes und definiertes Begleiten der Umsetzung ein Erfolgsfaktor (Follow-Up, Coaching, Lernpartnerschaften).

Im folgenden wollen wir unsere Aufmerksamkeit auf das Lernen draußen richten, um deutlich zu machen, was wir meinen, wenn wir sagen: Draußen sein, um drinnen besser zu werden.

Im Zentrum dieses „Besser-Werdens“ stehen weniger die fachliche Kompetenz, sondern explizit soziale Kompetenzen (Selbstmanagement, Beziehung, Konflikt, Kommunikation, Team und Führung; vgl. auch Bastians&Kluge, 1998 und Scala, 2001) und auch Prozess- und Methodenkompetenzen bei der Interaktion mit komplexen Systemen (z.B. Projektmanagement, agiles Management…).

 

1.1. Die Leit-Metapher „Weg“ als Lernkontext

“Das Wort “Lernen” geht auf die gotische Bezeichnung für “ich weiß” (lais) und das indogermanische Wort für “gehen” (lis) zurück (Wasserzieher, 1974). Die Herkunft des Wortes deutet bereits darauf hin, dass Lernen ein Prozess ist, bei dem man einen Weg zurücklegt und dabei zu Wissen gelangt.” Mielke (2001, 11)

In unseren Outdoor-Designs ist Lernen und Erfahrung immer eingebettet in den gemeinsam zu bewältigenden Weg, denn Menschen sind hier wie im Unternehmen gemeinsam unterwegs, machen sich auf den Weg, lernen sich auf dem Weg abtastend kennen, raufen sich sozusagen zusammen – immer wieder – und entwickeln je nach Kompetenz und Bewusstheit dieses Prozesses taugliche oder weniger taugliche Vorstellungen und Konzepte wie der Weg erfolgreich und ausgerichtet auf ein Ziel hin gestaltet werden kann. Dieser komplexe und dynamische Prozess beinhaltet Teamentwicklung und Teamperformance, Konfliktdynamik, die Konfrontation mit neuen Kontexten und Situationen (Change), die Steuerung eines ganzen Bündels interdependenter Faktoren (Projekt) und bedarf eines gesteuerten und abgestimmten Zusammenspiels (Führung und Emotionale Intelligenz). 

In diesem „Sich-Gemeinsam-Auf-den-Weg-Machen“ liegt das Potenzial  der intensiven Auseinandersetzung mit sich selbst und den anderen, mehr vielleicht als in „klassischen“ Hochseilgärten, die auf begrenztem Areal einen Set von Übungen bieten und wo der Fokus auf der einzelnen Übung liegt.

Schettgen (vgl. Schettgen 2001) weist auf die Bedeutung der Erfahrung von „Weg“ für die Entwicklung von Persönlichkeit im Rahmen seiner Auseinandersetzung mit der Kampfkunst Aikido und deren Konzepten (Do als Symbol für Prinzip der Lebensführung, Übungsweg Wachstum, Lernen, Entwicklung) hin. Also nicht das altius, citius, fortius zählt, sondern die Bewältigung eines Weges, von Aufgaben durch das Bündeln von Ressourcen. Es geht um ein Synergie“, nicht um Wettkampf.

Die Bedeutung der „Leitmetapher  Weg“ ist nach unserer Erfahrung für die Intensität und den Transfer von Erfahrungen als nachhaltig gelernte Lektionen von zentraler Bedeutung. Zwar ist „Draußen sein“ und das Erleben draußen an sich schon ein anderer, qualitativ-neuer Lernrahmen, wo Lernen mit dem Körper stattfindet, jedoch macht es nach unserer Überzeugung einen Unterschied, ob Menschen in Sichtweite eines Hotels in einem Hochseilgarten auf einem „begrenzten Areal“ z.B. Team üben oder ob der gemeinsame Weg gestaltet wird – bis zu 12 Stunden am Tag.

Damit sind wir bei der Natur – ein Gestaltungsraum, der für die Qualität der Lernprozesse und deren Nachhaltigkeit eine tragende Rolle spielt. Diesen Gestaltungsraum mit seinem Potenzial einzubeziehen ist für uns wesentlich in Design und Dramaturgie.

1.2. Natur als Rahmen und der Weg als Metapher und Hintergrund
intensiver Lernprozesse

Die Wirksamkeit und Steuerbarkeit von Lernprozessen in der Natur basiert nach unserer Erfahrung auf folgenden Faktoren: 

  1. ein anderer Kontext
  2. Beteiligung des Körpers
  3. Intensität von Kontakt und Beziehung (s. unten)
  4. Der gemeinsame Weg

Draußen zu lernen heißt, in einem anderen Kontext sich zu bewegen, der eine Fülle von Metaphern anbietet, die für Veränderungen drinnen nutzbar gemacht werden können. Nur eine kleine Auswahl:

    • das Wetter  (wie kommen wir mit äußeren Bedingungen zurecht, die wir nicht beeinflussen können? Wie belastbar ist unsere innere Balance? Welche Auswirkungen sind in den Beziehungen spürbar? Wir robust ist unsere Selbst-Motivation?)
    • die Orientierung (Was ist unsere Mission? Was unser Ziel? Wie organisieren wir den Weg?)
    • Bewältigung von Gelände und Aufgaben (Widerstände und Synergie nutzen)
    • Energie und Kraft (Wie gehen wir mit unseren Ressourcen um? Wie managen wir diese im Team? „Survival of the fittest“ oder Bündelung von Ressourcen?)
    • Selbst- und Fremdwahrnehmung auf dem Weg (Sind alle dabei? Wie effizient sind wir?)
    • Führung (wie wird formale/informelle Führung praktiziert und akzeptiert? Wie offen werden Zweifel und Positionen vertreten? Wird motiviert oder polarisiert ?…)

Natur als Rahmen heißt auch, Übungen und Aufgaben in die Natur einzupassen, d.h. das, was da ist, zu nutzen und möglichst wenige Eingriffe konstruktiver Art vorzunehmen. 

2. Das Outdoor als Lernrahmen für verschiedene thematische Schwerpunkte

Nach Zimbardo kann man “Lernen als einen Prozess definieren, der zu relativ stabilen Veränderungen im Verhalten oder im Verhaltenspotenzial führt und auf Erfahrung aufbaut.” Zimbardo (1992, 227)

In unserer Arbeit folgen wir der Auffassung von Lernen bei Carl Rogers (vgl. Carl Rogers, 1984), der explizit von Selbstverantwortung, der Bedeutung des Handelns und der Einbeziehung von Emotion und Intellekt für erfolgreiches Lernen spricht.

Wissenschaftstheoretisch begreifen wir Lernen – ob draußen oder drinnen – ganz i. S. des konstruktivistischen Paradigmas, ein uns immer wieder faszinierender Prozess der Entstehung von Wirklichkeit, der im Bewusstsein des einzelnen sich ereignet und für den er Bewusstsein und auch die Verantwortung entwickeln kann und soll.

Paradigmen des Lernens im Überblick:

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Die Intensität des Lernens draußen wird dadurch maßgeblich beeinflusst, dass in relativ kurzer Zeit – integriert in ein entsprechendes Lerndesign (s.u. Punkt 3) – sehr komprimiert Erfahrungen gemacht werden, ja, gemacht werden müssen. Im Outdoor-Setting ist der Teilnehmer „emotional geladen“ und so „die Reiz- und Reaktionsmuster gravierender und unmittelbarer zu tage treten“ (vgl. Mehl, Kilian W. 2/2004).

2.1. Die Lernorganisation im Outdoor

2.1.1. Lernziele

  Bereits in der Vorbereitung von Outdoorveranstaltungen werden die „Lessons Learned“ definiert.  Was ist am Ende der Veranstaltung erreicht? ist hier die Leitfrage. Auch zu Beginn eines 1- oder mehrtägigen Outdoor-Trainings beschäftigen sich auch die Teilnehmer/innen methodisch reflektierend mit dem, was individuell gelernt werden soll.

Lernziele werden periodisch überprüft nach Erreichung bzw. Annäherung und somit Schritt für Schritt im Bewusstsein verankert und sind damit wahrnehmungsleitend.

2.1.2. Methodische Tools 

als Basis bewussten Lernens auf kognitiver und emotionaler Ebene und der Steuerung von Transfer

suggestive Leittexte

Um die Lernprozesse der Teilnehmer zu intensivieren werden zu Beginn des Tages vor dem Start auf den Weg und an den einzelnen „Challenge-Points“(=anspruchsvolle Aufgaben im Gelände) Leittexte vorgetragen, die so formuliert sind, dass Sie durch ihre Unschärfe innere Bilder von Lernen und Veränderung auslösen können und sollen (vgl. u.a. http://www.nlp.at/lexikon/m4.htm). 

Lernpartnerschaften

Lernpartnerschaften sind in der Management-Andragogik (= Spezialdisziplin des Erwachsenenlernens) eine diskutierte und eingeführte Methode, um den Lernprozess über einen periodischen und gesteuerten Dialog zwischen 2 Lernpartnern zum einen zu intensivieren und andererseits über klare Spielregeln der Kooperation über das Seminar hinaus die Umsetzung gemeinsam definierter Lernfelder und –schritte/Aktionen zu unterstützen und zu sichern (vgl. dazu u.a. Stiefel, Rolf Th., 1999).

Feedback als Steuerungshilfe 

    Während des Outdoortages werden immer wieder Feedbackrunden anberaumt, die das eben Erlebte reflektierend fixieren sollen und Basis sind für die Lernpartnerrunden.

Anhand von Leitfragen wird die Erfahrung konkret formuliert, Positives wird anerkennend herausgehoben, kritisches Verhalten wird konstruktiv gespiegelt.

z.B. 

Wie haben Sie sich und andere in der Situation erlebt?

Wo sehen Sie Parallelen mit Situationen „zuhause“?

Welche konkreten Ansatzpunkte für Optimierung
a) eigenen Verhaltens
b) des Teamverhaltens sehen Sie?

Wie stellen Sie sicher, dass die Erfahrung hier zuhause erfolgreich umgesetzt wird?

Wie können Sie die Lernpartnerschaft dafür nutzen?…

Empathie/Emotionale Intelligenz

Durch die Definition von je 2 Teilnehmerinnen als „Schattenpartner“ oder „Schutzengel“ wird „zwangsweise“ der Fokus auf den Partner gerichtet. 

Die Fähigkeit zur Selbst- bzw. Fremdwahrnehmung auf der Ebene der Emotion und der Bedürfnisse verbunden mit der Fähigkeit Beziehungen produktiv zu gestalten entwickelt sich zu einer Kernkompetenz im Management (vgl. dazu Goleman, 1997, S.127 ff.) und wird über das Konzept des Schattenpartners/Schutzengels erleb- und spürbar.

Wenn jemand auf dem Weg das Feedback vom Schattenpartner erhält, dass dieser sich in der Situation X eher allein gefühlt hat und eigentlich Unterstützung gebraucht hätte, dann kann die Diskussion über Beziehungssignale auf dieser Ebene sehr interessant und hilfreich werden.

Die Bedeutung von „Achtsamkeit“ kann hier durch verschiedene Spielregeln und Rahmenbedingungen intensiv erlebbar gemacht werden.

Videoanalyse

Die Videoanalyse in Verbindung mit einem Kleingruppenszenario am Folgetag dient 2 Zielsetzungen

  1. Die Vertiefung und weitere Konkretisierung von Lernerfahrungen draußen (Meine/Unsere Stärken, Unsere Lernfelder (to do’s, must’s), konkrete Ideen und Aktionen zur Optimierung)    und
  2. Der Verankerung der Energie durch nochmaliges Erleben der Lernprozesse und Erfolge Im Outdoor (Lernen am Erfolg) und  die Vertiefung der Gruppenkohäsion.

 

2.1.3. Theoretische Basis-Modelle zu Teamdynamik und Teameffizienz 

Der Unterschied zwischen Wissen und Können wird deutlich, wenn zwar erklärende Modelle sozialen Handelns und Verhaltens gewusst werden, sich dann aber in der Umsetzung zeigt, dass mehr nötig ist, um tatsächlich gelernte und meist unbewusste Verhaltensmuster dann zu erkennen und die Wahl zu haben, etwas anderes, nämlich das theoretisch Aufgenommene, Nützlichere zu tun, also Wahlmöglichkeiten zu realisieren.

Dieses Erkennen in der Umsetzung im Outdoor (s. Beispiele unten) sind ein wichtiger Motor für die Qualität des Lernprozesse und den Transfer in eigenes Handeln.

Die Phasen der Entwicklung von Teams hat sich mittlerweile im Managementwissen eingenistet und vielen ist der gruppendynamische „Vier“klang (Forming, Storming, Norming, Performing;  vgl. Bion, W.R., 1971) ein Begriff. Dies in einem dynamischen Setting live und – je nach Lernziel – sehr intensiv zu erleben, zu spüren, ist noch mal etwas anderes.

Wie im Brennglas durchleben Gruppen „auf dem Weg“ diese Phasen, die über die Gestaltung von  Kontakt, Vertrauen und Kommunikation mehr oder weniger effizient „abgearbeitet“ werden und den fundamentalen Einfluss dieser Prozesse auf die Leistungsfähigkeit der Gruppe, der Entwicklung der Synergie erleben lassen.

Die Transparenz und Effizienz von Entscheidungsprozessen in Gruppen wird methodisch über ein Modell bewusst gemacht und in der Umsetzung optimiert anhand eines Modells von Edvard de Bono, der mit dem 6-Hüte-Modell sein Konzept des lateralen Denkens in eine sehr pragmatische Form gebracht hat (vgl. de Bono, E., 1999, http://www.sixhats.com/)

Anhand von 6 Denkhüten formuliert de Bono 6 verschiedene Denkrichtungen, deren Zusammenspiel je nach Situation die Effizienz der Team- und Entscheidungsprozesse definiert.

Prozess, Emotion, nach vorne gerichtetes und am Nutzen orientiertes Denken, kritisch-analytisches Denken, das eher zur Vorsicht in Entscheidungen und Handeln mahnt, die „Herrschaft“ über ein Maximum an ,  und das freie Fließen von Ideen (Kreativität) markieren die Eckpunkte des Konzepts.

Anhand von Farbkarten – die die Denkrichtungen symbolisieren – wird durch unterschiedlich definierte Aufgaben die Flexibilität in der Wahrnehmung und im Umsetzen dieser Denkfunktionen geübt und in Feedbackrunden reflektiert. Die eigenen bevorzugten Denkrichtungen werden bewusst, die Wahrnehmung des Team-denk- und Entscheidungs-Prozesses wird geschärft und methodische Eingriffs- und Steuerungsmöglichkeiten werden ausprobiert. 

GroupThink, ein Konzept, das Irving Janis nach der „Beinahe-Katastrophe“ der Kubakrise 1962 durch eine sehr detaillierte Untersuchung des Entscheidungsprozesses des amerikanischen Präsidententeams entwickelt hat (vgl. Janis, I., 1972), dient „auf dem Weg“ dazu, die Fallen, in die Gruppen tappen können, bewusst und beherrschbar zu machen.

Wenn ein Team es z.B. geschafft hat, in einem suboptimalen Team- und Entscheidungsprozess die Orientierung zu verlieren, wenn im Verlaufe dieses „Umherirrens“ die Emotionen in jedem einzelnen hoch kochen und nur mühsam „unterdrückt“ werden können, wenn Versuche, gehört zu werden, im gruppendynamischen Prozess untergehen, wenn die Durchhalteparolen auch nichts mehr helfen und die Gruppe eigentlich zugestehen müsste, dass sie auch die Verdoppelung der Geschwindigkeit dem Ziel nicht mehr näher bringt, dann ist es ungemein spannend zu beobachten und zu erleben – im Feedback draußen und später im Video – wie es die Gruppe schafft, eine Information aus der Tourmap so „hinzubiegen“ (rationalisieren), dass aus einem realen Fichtensetzling von 20cm Höhe in einer Grasmulde eine (lt. Tourmap) stattliche Fichte am Bach wird.

Wenn sich eine solch intensive Erfahrung von „GroupThink“ mit einer guten Theorie und „milden Konsequenzen“ trifft, dann kann Lernen Intensität gewinnen und trotzdem Spaß machen.

2.2. Die Lernfelder und –schwerpunkte unserer Arbeit draußen

2.2.1. Ich und die anderen (Team)

Ob ein Nachwuchsmanagement-Kreis, eine Abteilung, ein Projektteam, das sich gerade geformt hat, ein Arbeitsteam, das schon länger gemeinsam unterwegs –  ein intelligentes Trainingsdesign draußen, das gemeinsame Bewältigen körperlich, geistig und motorisch anspruchsvoller Aufgaben ist ein bestens geeigneter Rahmen, um die

  1. Entwicklungsdynamik in Teams
  2. Entstehung und Steuerung von Team-Performance
  3. Fallen der Leistungsfähigkeit von Teams (z.B. GroupThink) und 
  4. die Entstehung von „Flow“ im Team  zu erfahren.Die „Magie des Zusammenwirkens“ und der Aufbau stabiler und tragfähiger Beziehungen ist hier ebenso Ziel wie das theoretische und praktische Kennenlernen von Team-Know-How.
    Die emotionale Bedeutung von „Gruppe“ für die eigene Stabilität, der Preis, den Gruppen bezahlen für die Aufrechterhaltung der Illusion von Kohäsion, Stabilität und Stärke nach innen und außen (Group Think) sind hier als Lernprozess abzubilden und Alternativen zu entwickeln, wie Situationen auf der Prozessebene erkannt und Leistung im Team gesteuert werden kann.

Steuern von Gruppen bedeutet, einen klaren Blick dafür zu entwickeln, wie effizient die Gruppe im Moment arbeitet und wie der Denk- und Entscheidungsprozess läuft. Als ein sehr hilfreiches Modell hat sich hier das Modell der 6 Denkhüte von de Bono bewährt (s.o.), das die Effektivität anhand von 6 deutlich differenzierbaren Prozessqualitäten und Denkrichtungen wahrnehm- und steuerbar macht.

2.2.2. Projektmanagement – Agiles Management

Wenn die Elemente „innovatives Ziel, Abgrenzung zu Routine, formulierte Zielsetzung, geplante Ressourcen, personell und Finanzen, zeitlich definierter Rahmen , fach- und abteilungsübergreifend, eigene Organisationsform,  Auftraggeber (extern, intern) und  Überwachung und Controlling“ (vgl. Litke/Kunow, 2002) ein Projekt definieren, dann kann unser Weg draußen als Projekt aufgefasst werden. Aufgaben sind zu bewältigen, es gilt einen Parcours im Gelände in einer vorgegebenen Zeit zu begehen und auch die anderen Elemente finden sich wieder in dem, was an diesem Tag draußen passiert.

 Erstaunliche viele Parallelen ziehen die Teilnehmer selbst zwischen dem, was draußen passiert und dem, was ganz normaler Projektalltag ist. Da geht es um die Finessen der Kommunikation, da wird die Bedeutung der Information sehr scharf bewusst, da gibt es GroupThink und gruppendynamische Prozesse, die unbewusst und hinderlich sind, da gibt es Zeitdruck und Führungs-/Abstimmungsprobleme usw.

Die „tiefkortikalen“ Erfahrungen werden dabei in spielerischem Ernst gemacht, die Früchte in Feedbackrunden und der Videoanalyse geerntet und „lagerfähig“ gemacht (Transferplanung draußen und drinnen).

2.2.3. „Change“ und Konflikt

Vieles draußen ist neu oder  zumindest ungewohnt.
Es gibt Situationen, da kommen wir mit den Standards nicht weiter. Wir bewegen uns in einer uns fremden Umwelt. Wir verlieren die Balance, weil wir die Kompetenz noch nicht erworben haben, die notwendig ist, um uns in der „Neuen Umwelt“ erfolgreich zu bewegen, ins Ziel zu kommen, ganz so, wie rechts auf dem Bild im Seilgarten.
Wie gehen wir mit der Situation um, jeder für sich und im Team? Wie bewältigen wir diese Herausforderung, um das Ziel zu erreichen – ein starker Prozess voller Lernimpulse und tiefgehender Veränderungen, wenn das Ziel im Seilgarten, einem Weg im Weg, erreicht ist. Das „Wir“ des Zusammenwirkens ist körperlich spürbar und verankert. Jetzt kann die Veränderung, der stete Wandel kommen. Wir haben erlebt, dass es geht.
Dass wie oben in der Darstellung „3 Säulen der Effizienz“ auch hier das Nacherleben des Prozesses unter dem Fokus „Konflikt und Change“ anhand klar strukturierter und fasslicher Modelle und die Sicherung des Lernerfolgs sich anschließt, sei nur nochmals erwähnt.

3. Die Energie im Prozess und die Nachhaltigkeit – vom Erlebnis zum Ergebnis

Aus der bisherigen Darstellung unserer Arbeit ist hoffentlich deutlich geworden, wie aus der Verschränkung von Theorie, Praxis und Lernmethodik  der „Weg“ vom „Erlebnis zum Ergebnis“, wie der „Nutzen des Nachklangs“ gestaltet werden soll und kann.

Um den Kreis hier zu schließen, noch ein paar knappe Bemerkungen, wie aus unserer Erfahrung der Aufbau von Energie und Beziehungen in der Gruppe für die Nachhaltigkeit der Lernprozesse des Outdoor-Trainings gestaltet werden kann. Dabei spielt die Spannungskurve eine zentrale Rolle.

Bei einem 1-tägigen Outdoor – eingebettet in eine entsprechende Lernorganisation (s.o.) – ist es wie im Drama; die Spannungskurve sollte nach oben ziehen, am Höhepunkt angekommen kurz verharren, bevor diese dann in einem starken Integrationsritual all das, was an Anstrengung, Frust, Lust und Freude des Tages in Körper und Geist sich eingegraben hat, in ein entspanntes Hinabgleiten übergeht.

Wie das funktioniert kann nicht leicht beschrieben, sondern muss erlebt werden. Trotzdem als Anhaltspunkt der Dreischritt, den wir in unserem Design umsetzen. 

Phase 1: Der Fokus auf den anderen (Partner, Beziehung, empathische Wahrnehmung) – Schwerpunkt Orientierung, Lösen von Teamaufgaben im Gelände

Phase 2: Konkurrenz und Kooperation – das Team wird geteilt und 2 Teams sind ein Stück Wegs unterwegs – Teamdynamik, GroupThink, Entscheidungsprozesse

Phase 3: Zusammenkommen und Zusammenwirken
Die Energie und das Potenzial des „Wir“ erleben und entwickeln. (eine Konstruktionsaufgabe, Niedrig-Seilgarten, Flying Bridge o.ä.)

Die Phase 3 wird von uns vornehmlich im Niedrig-Seilgarten oder einem vergleichbaren
Übungs-Setting gestaltet. Im Niedrigseilgarten können wir ganz verschiedene Trainingsschwerpunkte setzen, je nach Zielsetzung (Team, Change, Entscheidungsprozesse).

Immer aber ist diese letzte Übung – von den Trainern flexibel gesteuert durch Inputs, Veränderungen der Spielregeln und der Rahmenbedingungen) – der Prozess, der am Intensivsten die „Magie des Zusammenwirkens“ erlebbar macht und die Bindungen im Team vertieft und verfestigt – über den Tag hinaus.

Team SpiritWer einmal mit seinen KollegInnen auf dem Seil stand und gemeinsam diesen sehr anspruchsvollen „Weg im Weg“ – oft über 50-80m Seilstrecken mit zum Teil sehr hohem Schwierigkeitsgrad (Balance, Wirkungsgesetze dieses neuen Umfelds, Strategieentwicklung, Durchhaltevermögen, Empathie etc.) – gemeistert hat, im Ziel oft erst bei einbrechender Dunkelheit,

wer einmal gespürt hat, wie sich nach einer Phase des Probierens, nach ersten Erfolgen, nach partiellem Scheitern und der Ahnung, das Ganze könnte überhaupt nicht geschafft werden, die Energie sich immer mehr kon“zentriert“ dahin, wo es gerade um alles geht, d.h. das nächste anspruchsvolle Stück Weg zu meistern, nachdem zu Beginn die Energie der Gruppe in verschiedenen kleinen Zentren versickert,

Wer miterlebt hat, wie immer weniger geredet wird und der Prozess immer mehr ins Fließen kommt (Flow-Phänomen, vgl. Csikszentmihalyi, 2004, S. 147ff.), wie eins ins andere greift, wie der Gang übers Seil mehr und mehr zu einem Tanz wird, weil jeder seinen Platz gefunden hat und diesen akzeptiert, ausgerichtet auf ein Ziel, der wird nachhaltig das  Gefühl und ein Bewusstsein für Energie und Exzellenz im Team gespeichert haben und mit nach Hause nehmen.

Quellen:

Bastians, Frauke & Kluge, Sandra 1998. Diagnose sozialer Kompetenzen. Entwicklung eines multimedialen Diagnosesystems zur Erfassung sozialer Kompetenzen.
WWW: http://www.psycho.uni-osnabrueck.de/~runde/dsp/sk.htm (00-10-25)

Baumgartner, Peter & Payr, S., 1994 Lernen mit Software. Digitales Lernen. Österreichischer Studien Verlag, Innsbruck 

Bion, W.R., 1971. Experiences in Groups and other Papers in: Tavistock Publ. London, (1961)

Csikszentmihalyi, Mihaly Stuttgart 2004, Flow im Beruf, Klett-Cotta

Cohn, Ruth C. Stuttgart., 1983 – Von der Psychoanalyse zur themenzentrierten Interaktion. Klett-Cotta,

de Bono, E.,1999 Six Thinking Hats, Boston-New York-London – Little, Brown and Company

Janis, I., 1972. Victims of Groupthink. Boston, MA: Houghton Mifflin

Mehl, Kilian W. 2/2004. Wahrnehmen was wirklich ist, in „erleben und lernen“ S.20/21, Augsburg, Ziel 

Litke, Hans-D./Kunow, Illonka. Projektmanagement, München, Haufe

Mielke, R. Stuttgart 2001. Psychologie des Lernens. Eine Einführung. Kohlhammer

Rogers, Carl R. München 1984 , Kösel

Scala, Klaus (2001). Soziales Kompetenztraining – Indoor & Outdoortraining in erlebnisreicher Kombination zwischen Natur- und Beziehung.WWW: http://www.uni-protokolle.de/forum/25 (03-05-01)
http://www.horsetrekking-and-more.de/Soziale_Kompetenz_/body_soziale_kompetenz_.html (03-05-01)

Schettgen, P. 2001. Der entfesselte Körper. Über die Kunst, enthemmt zu sein und gleichzeitig Disziplin zu üben. In Paffrath, F. H. (Hrsg.), Hemmungslos erleben – Horizonte und Grenzen. Augsburg: Ziel (S. 51-70)

Stiefel, Rolf Th., Leonberg 1999, Personalentwicklung in Klein- und Mittelbetrieben – Innovationen durch praxiserprobte PE-Konzepte

Wasserzieher, Ernst, Woher? Ableitendes Wörterbuch Der Deutschen Sprache, Berlin 1974, Dümmlers

Zimbardo, P. G. Berlin 1992. Psychologie. Springer

Georg Pfreimer  .  19. August 2019