work for change . Blog

Die Stärke “Bindungsfähigkeit”

Das Gallup-Stärkenmodell beschreibt 34 Stärken, die in ihrer jeweiligen Reihenfolge, ihrem Ranking, die ganz persönliche und einzigartige Talent-Signatur eines Menschen abbilden. Diese Talente – wir sprechen von Stärken, wenn diese Talente genutzt und entwickelt werden – sind Voraussetzung und Basis für ein ganz spezifische Art, die Welte wahrzunehmen, sich intrinsisch zu motivieren und mit Freude in (Leistung-)Verhalten umzusetzen. Und das Ganze mit Leichtigkeit und ganz natürlich, d.h. im Grunde unbewusst. Ausser wir machen uns das bewusst und nutzen dieses Bewusstsein, um immer mehr das Beste von dem zu werden, was bereits durch unser Stärkenprofil angelegt ist.

Wir haben für unser Talent “Bindungsfähigkeit” zwei starke Paten ausgewählt, Rainer Maria Rilke und ein wunderbares Gedicht von ihm und Aristoteles. Zunächst aber etwas Lyrik:

Liebes-Lied

Wie soll ich meine Seele halten, daß
sie nicht an deine rührt? Wie soll ich sie
hinheben über dich zu andern Dingen?
Ach gerne möcht ich sie bei irgendwas
Verlorenem im Dunkel unterbringen
an einer fremden stillen Stelle, die
nicht weiterschwingt, wenn deine Tiefen schwingen.
Doch alles, was uns anrührt, dich und mich,
nimmt uns zusammen wie ein Bogenstrich,
der aus zwei Saiten eine Stimme zieht.
Auf welches Instrument sind wir gespannt?
Und welcher Geiger hat uns in der Hand?
O süßes Lied.

“Freundschaft, das ist eine Seele in zwei Körpern” (Aristoteles)

Aus diesem Zitat und natürlich noch viel stärker im Gedicht drückt  sich sehr offensichtlich eine starke Bindung zwischen 2 Menschen aus. Das Talent, echte Bindungen einzugehen, findet sich im Strenghtsfinder unter der Bezeichnung “Bindungsfähigkeit“, unschwer einzuordnen als ein Talent aus dem Cluster “Beziehungsaufbau”.

Wir alle kennen Menschen, die sehr schnell Kontakt aufbauen, die eine Menge Leute kennen, die immer mitten drin sind und manchmal der Eindruck entsteht, dass das alles eher flüchtig ist. Dieser Eindruck entsteht am ehesten bei den Menschen, die mehr Affinität zu Beziehungen als zu Kontakten haben. Deswegen heißen ja Kontakte auch Kontakte und nicht Beziehung. Das amerikanische “How are You”, das von den einen als “oberflächlich” empfunden wird und von anderen als höflich, mag hier auch ein Aspekt sein.

Also – es geht hier um “Echte Beziehungen”, um “Bindung”, um eine Art von Wichtigkeit des Gegenüber und der Beziehung zu ihm.

Menschen mit einem ausgeprägten Talent, einer Stärke “Bindungsfähigkeit” …
… beziehen aus Bindungen Sicherheit und Wohlbefinden.
… pflegen selektiv Beziehungen und investieren in diese mit Bedacht und Empathie.
… leiten aus engen Beziehungen Stabilität und Zufriedenheit ab.
… sind in allem an ihren Freunden interessiert und trachten danach, diese immer besser zu kennen (“die eine Seele in zwei Körpern”).
… riskieren sich als Person durch eine sehr große Offenheit, wenn sie in einer Beziehung Vertrauen gefasst haben.

Miteinander schwingen, sich wortlos verstehen, etwas aussprechen, das der andere gerade denkt, Stimmungen spüren als wären es die eigenen – das sind deutlich Anzeichen einer starken Bindung. Und das geht natürlich nicht mit sehr vielen Menschen.

Damit das Talent “Bindungsfähigkeit” sein ganzes Potenzial entfalten kann,

  • braucht es ein Klima des Vertrauens und der Offenheit.
  • ist die Möglichkeit Nähe aufzubauen ohne Förmlichkeit von zentraler Bedeutung.
  • ist die Betonung auf Beziehung und der Möglichkeit, das zu leben, grundlegend.
  • ist das wahrnehmbare, echte Interesse am Menschen, dessen Gedanken, Träume, Gefühle und Ziele Voraussetzung für das Fließen intrinsischer Motivation und Leistungsbereitschaft

Eine nicht-reflektierte überwertige Bindungsfähigkeit stößt an ihre Grenzen und kann in einem sozialen Ganzen zu einem Hemmnis werden, wenn

  • informelle Gruppen wie Zirkel entstehen, die sich abschotten und als eigenes kleines Universum Kooperation erschweren.
  • wenn sich der eine oder andere zurückgewiesen fühlt, weil er vielleicht der Kollegin mit hoher Bindungsfähigkeit als nicht würdig eines intensiveren Kontakts erscheint.
  • wenn in einer starken Bindung der auch wichtige kritische Blick für das Gegenüber verloren geht und evtl. daraus Enttäuschungen erwachsen.
  • wenn durch die starke Investition in einzelne Beziehungen andere wenig im Fokus sind und das dann zu Spannungen führen kann.
  • wenn aus Bindung Symbiose wird, d.h. eigenes Standpunkte, Wünsche, Ziele der Beziehung untergeordnet werden.

Es ist ja immer das Gleiche – menschliche Entwicklung braucht eine hohe Bewusstheit über die eigene Person, deren Motive, Werte, Talente und letztlich daraus abgeleitet “Verhaltensweisen”, die dann wiederum systematisch zu entsprechenden Verhaltensweisen im Umfeld führen. Fehlt diese “Selbstbewusstheit” und die Dinge laufen dann nicht so, wie ich mir das vorgestellt, wie ich das erwartet habe, wird Verantwortung nicht selten abgeschoben auf das Gegenüber, die Umstände, die Sachzwänge, die Welt.

Hinsichtlich der Bindungsfähigkeit können wir dem natürlich entgegenwirken, die Stärke balancieren oder sogar weiterentwickeln und mehr nutzen, indem wir andere Talente in den Vordergrund rücken und “der Bindungsfähigkeit assistierend” (Assistenztalente und -stärken) diese noch mehr im Sinne des Ganzen zur Geltung bringen.

Um aus starken, stabilen Beziehungen echte Ergebnisse zu machen braucht es noch Durchführungstalente, den Blick für das Arrangement von Ressourcen, Menschen mit deren Talenten und Stärken, nach Handlungsalternativen usw. Mithin das Talent “Arrangeur” (s. Beschreibung hier im Blog). Was sicherlich auch von Vorteil wäre: “Selbstbewusstsein“, also das Überzeugt-Sein von den eigenen Fähigkeiten, dem Weg, dem Ziel und der Gewissheit, erfolgreich sein zu können. Hier schwingt auch das Talent “Fokus” mit, das noch die Prioritäten und das Dranbleiben  einbringt. Selbstbewusstsein ist auch eine gute Prophylaxe für eine überwertige Bndungsfähigkeit mit der Gefahr der Symbiose.

Das ist ja das Spannende und gleichzeitig das Herausfordernde, das Beste von dem zu werden, was man schon ist (unsere ganz individuelle und spezifische Talentsignatur), indem man das Zusammenspiel, sozusagen die Sinfonie der Talente immer besser versteht und bewusster wird, um dann im konkreten Handeln die Dynamik der Talente immer besser nutzen zu können  – der Weg im Stärkencoaching!

 

Mehr zum Thema “Stärkenorientierung” finden Sie hier:

Der Ansatz „Stärkenorientierung“– Alle PS auf die Strasse bringen!

Das intensive 2-Tages-Stärkentraining: Stärken stärken – Schwächen schwächen

Das Stärkencoaching – erst schnuppern, dann geniessen. Stärken bewusst erkennen und optimal einsetzen. Das Beste von sich selbst werden!

 

Georg Pfreimer  .  1. September 2021